Ein neues Kloster für San Galgano

30 Mönche kehren an den Ort der im 12. Jhd. gegründeten und im 18. Jhd. verlassenen Zisterzienserabtei San Galgano zurück und revitalisieren die Filiation. Räume für Klausurgäste und ein Museum ergänzen das Raumprogramm für das neue Kloster.

 

Studienarbeit über eine 900 Jahre alte Bauauffassung

 

Erläuterungen

Mögt ihr mit allen Heiligen Breite, Höhe und Tiefe dieses Geheimnisses verstehen
(Paulus)

Der erste Eindruck:
Stark und lastend, voller Würde und Anmut, das Licht fällt durch alle Öffnungen.
Das Firmament ersetzt das Dach, ein Rasenteppich der Boden. Die Ostwand licht und wohl proportioniert. Travertin und Ziegel, Licht und Grün. Es fehlt nichts. Alles könnte so bleiben. Und es wäre gut.

Wie etwas verändern, ohne die Kraft des Ortes zu brechen?
Wie etwas hinzufügen, ohne das Ergebnis zu bedauern?
Ein Weiterbauen, ergänzen und festigen – behutsam.

Das Leitbild:
Wir wissen, dass jene, ..., das Volk mit materiellem Glanz zur Andacht ermuntern, weil sie es mit Geistigem nicht vermögen. Wir aber, die wir uns vom Volke doch entfernt haben: die jegliche Pracht, jegliche Erlesenheit der Welt um Christi willen verlassen haben, die wir alles Duftende, dem Geschmack angenehme, dem Gefühl gefallende, mit einem Wort alles dem Leib Ergötzliche als nichtig erachten, damit wir Christus gewinnen: mit welchen von diesen Dingen, frage ich, können wir Andacht erregen wollen? Welchen Nutzen, frage ich, ziehen wir daraus, die Bewunderung der Narren und die Ergötzung der Einfältigen?... (Bernhard von Clairvaux)

Sich bei jeder möglichen Lösung die Frage stellen: Ist es bescheiden genug? Wem dient es mehr, dem Zweck oder der Gefälligkeit? Keine Form ohne Sinn, keine Variante ohne Grund.

... Wenn man sich schon der Albernheit nicht schämt, warum gereuen dann nicht die Kosten?

Einfachheit.

Claustrum – in sich gekehrt. Eine kompakte Geschlossenheit war von Anfang an Ziel. Alles dem Kloster zugehörige befindet sich innerhalb.

Ein einfacher, dreigeschossiger Körper ergänzt winkelförmig das Quadrum.
In den beiden Obergeschossen des Neubaus sind südlich die Mönche und westlich die Gäste, die Novizen und die Verwaltung untergebracht. Das Erdgeschoss mit freiem Grundriss und frei tragenden Stützen. Die Obergeschosse sind mit Schotten in regelmäßigen Abstand gebunden. Ob Gäste-, Mönchszelle oder Büro ist eine Frage des Ausbaus. Konstruktiv ist jede Achse nahezu gleich und offen für evtl. notwendige Veränderung. Alle Zellen sind nach außen gewandt. Das Balkonband ist durchlässig und wird erst durch die geöffnete Tür zum separaten  Außenraum. Der Flur ist durch Ober- und Unterlicht belichtet, durch das undurchsichtige Mittelband bleibt er aber dem direkten Blick verschlossen.


Drei Höfe im Inneren des Klosters stehen für die drei Grade der Abgeschlossenheit:

Die Öffentlichkeit des Museums – Ein Patio mit dem Fragment des alten Kreuzgangs, integriert in den musealen Rahmen. Eine Grünfläche mit einer Palme, eine Sitzbank.

Die Zurückgezogenheit der Gäste – Der Gästehof mit Wasserfläche, weiträumig und in sich offen, aber auch Distanz schaffend zur Klausur. Das Brunnenhaus ragt hinein.

Die Abgeschiedenheit der Mönche – Der Hof des Kreuzganges. Der große, alte Baum.

Die Bäume im Bestand bleiben im wesentlichen erhalten.

Neben der Sakristei und dem Kapitelsaal an alter Stelle ist im Erdgeschoss des bestehenden Ostflügels das Refektorium (Speisesaal der Mönche) untergebracht. Für die  Küche werden zwei Achsen des alten Raumes durch reversiblen Leichtbau abgetrennt. Die Küche ist von außen über den Wirtschaftshof zugänglich. Zwischen Küche und Refektorium ist ein Anrichteraum eingefügt. Im Obergeschoss des Ostflügels sind Bibliothek und Rekreationsräume der Mönche vorgesehen. Neben der alten Tagestreppe wird das Obergeschoss durch eine Stichbrücke aus dem Neubau erschlossen. Dadurch ist das Kloster in allen Bereichen für behinderte Menschen gut zu erreichen. Auch an behindertengerechte Wohnzellen und WC`s ist gedacht. Die Öffnungen im Ostflügel werden durch drei zusätzliche Fenster im Obergeschoss ergänzt. Im hinteren Teil werden die später eingebrachten und verwitterten Fensterrahmen durch filigranere Stahlrahmenkonstruktionen ersetzt.

Sakralräume:
Das Kloster braucht eine Kirche. Aber keine Kirche der Größe, wie sie in früheren Zeiten bestand. Dreißig Mönche, einige Novizen und Gäste – mehr werden bei einem Gottesdienst in der Regel nicht anwesend sein. Die alte Kirche könnte komplett eingerichtet und überdacht ohne weiteres sechshundert Menschen aufnehmen. Eine Überdachung und Neubefensterung erscheint wegen des hohen Aufwandes bei relativ geringen Nutzen keine angemessene  Lösung. Zumal der offene Kirchenraum einen ganz besonderen Reiz dieses Ortes ausmacht. Wer schon einmal aus dem Inneren der Kirche in den offenen Himmel geblickt hat, wird es nachempfinden können. Diesen Eindruck durch einen, wie auch immer gearteten Körper einer eingestellten, kleineren Kirche zu verstellen, erscheint ebenso problematisch. Die Lösung dieses Entwurfs geht deshalb einen dritten Weg: Zum einen bleibt der Kirchenraum, wie er besteht, als „Sommerkirche“ erhalten. Lediglich ein Podest mit Altar, Ambo und Mönchsbänken wird eingefügt. Das Dach bleibt offen. Eine temporäre Bestuhlung, z. B. aus Klappbänken im Kirchenschiff erlaubt zu besonderen Anlässen auch einer großen Gemeinde am Gottesdienst teilzunehmen. Regelmäßig genutzte Kirche wird aber eine Krypta sein. Direkt aus dem Kreuzgang heraus führen Rampen in diese „Winterkirche“ hinunter und aus der Kirche zum Friedhof hin wieder hinaus. Diese Kirche ist ebenso wie alle wesentlichen Wände im Kloster aus naturbelassenem Sichtbeton. Über das Einfache und Bescheidene, was den Entwurf in seinen übrigen Teilen prägt hinaus ist hier jedoch besondere Sorgfalt auf die Lichtführung durch Oberlichtoculi und einen angeschmiegten Wand-Bodenübergang gelegt.                 

Das Brunnenhaus ist der zweite besonders behandelte Raum. Der Brunnen im Kreuzgang, traditionell häufig in einem eigenen Brunnenhaus untergebracht, birgt eine besondere Bedeutung: Der Brunnen als Quell des Lebens ist gleichbedeutend mit einem Symbol für Jesus Christus. Es ist zentraler Ort des Kreuzganges und vorrangig Andachtsraum. Im Obergeschoss ist zudem die Glockenstube untergebracht. Die runde Form mit Emporentreppe ist eine Reminiszenz an das Mausoleum von San Galgano auf dem Monte Siepi. Drei kleine Öffnungen in der gebogenen Rückwand erzeugen drei Lichtpunkte, die im Laufe des Jahres zu besonderen Zeiten auf der konkaven Wand hinter dem Brunnen wandern.

Material und Ausführung: Keine farbigen Fenster, keine Farbe an den Wänden. Bis auf einige leichte Trennwände aus weiß gestrichenen Gipskarton und die „Drehwand“ des Konferenzsaals aus eichenfurnierten Holzwerkstoff auf Stahlrahmenkonstruktion sind alle sichtbaren Wände des Neubaus aus glattgeschalten Sichtbeton -  naturbelassen, evtl. leicht weiß oder beige pigmentiert nach einer Bemusterung vor Ort, teils in zweischaliger Ausführung, teils als Leichtbeton, wie beim Brunnenhaus, um den Anforderungen an den Wärmeschutz gerecht zu werden. Auch der Boden ist in der Regel aus oberflächengeglätteten, gewachsten Beton. Alle undurchsichtige Türen aus Eiche, der Boden in den Zellen aus dünnen, massiven, hartgewachsten Eichenparkett, die Einbauschränke ebenfalls eichenfurniert, seidenmatt, transparent lackiert. Die Sanitäreinheiten weiß und grau gefliest. Die Verglasung als Pfosten/Riegel-Konstruktion, im Erdgeschoss evtl. mit sprossenlosen Vertikalfugen, dauerhaft versiegelt mit elastischem Stoss. Durch tiefe Dachüberstände an Süd- und Westseite kann vermutlich auf zusätzliche Verschattungen verzichtet werden. Falls doch erforderlich ist grünes Sonnenschutzglas denkbar. Alle Metalloberflächen sind DB 703, anthrazitgrau beschichtet. Die Dächer über Erdgeschoss als einfaches Holzträgerdach mit Holzschalung, naturbelassen, evtl. die Untersicht weißgrau gekalkt. Der Dachrand aus Blech anthrazitgrau, flächenbündig, durch eine Fuge abgesetzt, die Dachhaut mit 10-15 cm extensiver Begrünung, mit Lavendelheide bepflanzt. Das Dach über 2.OG mit leichtem Gefälle. Hinter einem rückspringenden Dachrand die (somit von außen unsichtbare) Aufstellfläche für Solarzellen zur Photovoltaik, bzw. Wassererwärmung. Das Podest der Oberkirche verkleidet mit weißgrauem Travertin, ähnlich dem Bestand. Der Boden der Oberkirche verbleibt, bis auf einige Zuwege mit Rasen. Das Dach bleibt, die Mauerkronen entsprechend geschützt, offen. Altar, Ambo und Tabernakelsockel aus einem massiven Stück Travertin, bis auf die obere, polierte Fläche bleiben alle Seiten sägerau.


Diplomarbeit Sommer 2003

Fachhochschule Köln, Fakultät für Architektur

Aufgabensteller:  Prof. Dr.-Ing. Michael Werling
Korreferent:  Prof. Dr.-Ing. Jürgen Eberhardt
Bearbeitung:  Dipl.-Ing. Jörn Knop